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Abi 1983 – Bleibt alles anders?
Vorsicht! Nach dem Lesen fühlst Du Dich etwas reifer!
Wer jetzt gerade Abi macht, ist nicht nur zu spät geboren (und wer zu spät kommt, der ist schon genug bestraft), sondern hat auch vieles verpasst, was wir noch genießen durften.
Was sind eigentlich Knibbelbilder? Ministeck? Im Übrigen hieß Twix niemals Raider und war auch nie "der Pausensnack". Ach ja: Und was zum Teufel sind Treets? Auch eine Kugel Eis hat nicht immer einen Euro gekostet, es gab keine Marken, die "Vanilla" oder "Fiorucci" heißen, und erst recht gab es nie eine Zeit ohne Marken. Was ist übrigens ein Parka? Und wieso sollte man sich Windeln um den Hals hängen – oder Palästinensertücher?
Wo wir gerade vom Outfit sprechen: Was sind Popper? Was ist ein Popperschnitt? Und warum sollte man sich seine Schultern auspolstern? Gab es wirklich eine Zeit ohne Aids? Wo man ohne Kondome seinen Spaß hatte – und einige Wochen später die Erfolgskontrolle.
Rollschuhe haben Rollen, die hintereinander angeordnet sind und der Schuh ist immer schon dran; und was sind Disco-Roller? „Wetten dass“ war immer mit Thomas Gottschalk, Pommes hat man schon immer im Backofen gemacht – und was sind Bonanza-Räder? Klar kennen sie Günther Netzer und Franz Beckenbauer: Das sind Fußball-Kommentatoren. Die jetzt Zwanzigjährigen haben noch nie beim Schwimmen über den Weißen Hai nachgedacht. Sie wissen nicht, wer Jake war und wie man in Chicago richtig Auto fährt.
Sie haben noch nie einen Big Mac in einer Styropor-Verpackung gesehen und schon immer gibt es Haarschaum und Unisex-Hairstylingprodukte. Sie glauben, dass es nicht sein kann, dass Puma-Schuhe mal der letzte Schrei waren und dass das Top-Modell von Adidas nur umgerechnet 49 Euro gekostet hat und keine Luftkammern hatte und nicht blinkte. Sie haben noch nie ein Snickers mit roter Verpackung gesehen.
Sie wissen nicht, warum Niki Lauda immer eine Mütze trägt. Sie kennen Herrn Kaiser von der Hamburg-Mannheimer nur ohne Brille und Seitenscheitel. Den netten Mann von Persil kennen sie gar nicht. Hieß der Mann nicht Clementine und war eigentlich eine Frau? Sie wissen nicht, dass Frau Sommer nicht mit Dr. Sommer von der Bravo verheiratet ist, sondern bei Jakobs-Kaffee arbeitet und an Festtagen ein Pfund Krönung mitbringt. Sie wissen nicht, dass Parkuhren früher auch 5 Pfennig Stücke genommen haben.
Diese zu spät geborene Generation, die gerade Abi macht, hat nie einen Fernseher mit nur drei Programmen gesehen - ganz zu schweigen von einem Schwarz-Weiß-Fernseher. Und vor allem nicht ohne Fernbedienung! Sie hatten immer Kabel- und Satelliten-Fernsehen. "Nein, wir haben gaaanz bewusst keinen Fernseher." Fernsehen ist schließlich schlecht für die Augen. Zudem waren diese Geräte damals prohibitiv teuer, vor allem farbige. Der Farbfernseher war noch eine Allegorie auf den Luxus.
Bonanza war so herrlich progressiv. Eine Patchwork-Familie zu Zeiten, als jene noch unüblich waren, eine rein männliche Patchwork-Familie noch dazu. Da ist die Diskussion um die Homoehe heute für uns doch nur zu gähnen. Wir durften zuschauen, wie sie sich verprügelten und wieder vertrugen, denn wir hatten die Bedeutung der Globalisierung erkannt, lange bevor John Naisbitt das Wort erfand. Was ist eigentlich Beta? Der Walkman wurde von Sony vor ihrer Geburt erfunden und in ihrer Kindheit durch den MP3-Player abgelöst.
Bandsalat war übrigens nichts zum Essen, wie die zu spät geborenen denken. Wie oft kann man eine inwendig zerknitterte, oft mit dem Kugelschreiber aufgespulte Kassette mit Star Sprangled Banner von Jimi Hendrix anhören? Erstaunlich oft. Beim Radio wird man dann mit einem frappierenden technischen Paradox konfrontiert: Nichts ist so ungeeignet als Aschenbecher wie der Tonbandspulenkern. Und eben deshalb wurde er mit Vorliebe dafür benutzt. Bandsalat gibt es heute nicht mehr, und auch keine Tonbandspulenkerne. Deshalb ist Rauchen heute verpönt.
Atari ist für die meisten genauso weit weg wie Schallplatten: Denn sie haben nie einen Plattenspieler besessen, da ja schon vor ihrer Geburt die Compact Disc erfunden worden ist - und kurze Zeit später MP3. Sie haben nie Space Invaders und Pac Man gespielt. Und erst recht kann niemand von ihnen glauben, dass man Geld ausgegeben hat, um ein "Telespiel" zu spielen, das nicht einmal so aussah wie Tennis. Bei Apple denken Sie an den iPhone und den iPod - nicht an Let it Be und John, Paul, George und Ringo. E-Mail war noch für Mamas Töpfe. Sie wissen nicht, dass man Daten auch auf Kassetten speichern kann, denn sie haben auch noch nie eine Diskette gelocht, geschweige denn umgedreht.
Damals wurde noch richtig gebastelt – traditionelle Mechanik. Ein kleineres Ritzel hinten und ein größerer Vergaser vorne machen aus einem Moped eine Harley. Gefühlt jedenfalls. Beim Käfer und der Ente konnte man praktisch alles selbst machen. Das waren übrigens Autos. Hinten konnten selbst Ungeübte die Rückbank herausnehmen. Das war wichtig. Das konnten auch die Mädchen. Erstaunlich, wie beweglich man seinerzeit war.
Freunde waren noch so richtig greifbar. Man hat sich getroffen und nächtelang über Nachrüstung, Abrüstung und Kernenergie diskutiert. Virtuell war nur der Schultag danach, nicht die Freunde. Und statt dem Facebook gab es ein Telefonbuch. Gedaddelt haben wir auch bereits. Aber das war hartes Training mit "Space Invaders".
Wir... Das bist Du.
Du weißt das alles.
Du hast das alles mitgemacht und Dein Abi noch ohne PC geschafft.
Und die Referate bis zur Diss ohne Copy-Paste.
Denn Du hast die wichtigen Dinge im Kopf, nicht virtuell.
Und das ist gut so.
Text: Christof Ebert, Ideen und Tipps dazu: Mannigfaltig